Seit 1999 schreibt Hans-Martin Gäng das Tagebuch über die Heidelberger Wanderfalken. In über 5000 Einträgen können Sie nachlesen, was seit 1999 alles passiert ist. Dort finden Sie auch viele Informationen zur Biologie des Wanderfalken und zum Verlauf der Brut und Aufzucht des Nachwuchses.
Seit 1999 schreibt Hans-Martin Gäng das Tagebuch über die Heidelberger Wanderfalken. In über 5000 Einträgen können Sie nachlesen, was seit 1999 alles passiert ist. Dort finden Sie auch viele Informationen zur Biologie des Wanderfalken und zum Verlauf der Brut und Aufzucht des Nachwuchses.
20 Jahre Wanderfalken-Nistkasten auf Heiliggeist
Eigentlich müsste ich jetzt mit den Falkenpaten Reinhard Reetz (2010) und PD Dr. Michael Preusch (2013), meinem Kollegen Albrecht Spatzier und vier ehemaligen Schülern Kadri B., Martin G., Heinrich L. und Waldemar G. mit einem Glas Sekt in der Hand am Falken-Nistkasten der Heiliggeistkirche stehen und Dank sagen!
Denn exakt vor 20 Jahren haben wir den Nistkasten montiert. Damals dachten wir noch nicht an die Anteilnahme einer großen Öffentlichkeit aus vielen Ländern mittels Bild und Tonübertragung. Es gibt auch nur wenige Fotos aus dieser Zeit. Der Nistkasten ist noch nicht von Elektronik umgeben, immerhin mache ich mir einige Notizen.
Wir hatten in jenen Wochen keine Ahnung davon, dass dieses Schulprojekt ein großer Erfolg werden würde.
Aber Mut, Zuversicht und Vertrauen, dass wir etwas Gutes für den Artenschutz versucht hatten.
Same procedure as every day
„Das ist ja tägliche Routine! Jeden Abend kommt ZEPHYR, am Morgen fliegt er ab. Wird es Ihnen nicht langweilig?“ Das fragte mich gestern ein Passant in der Altstadt. Nein, wird es nicht, denn nun kommt eine spannende Zeit! ZEPHYR ruft bereits in der Morgendämmerung von der Anflugstange aus „lahnend“ nach PALATINA. Da er das mit schwachem Stimmeinsatz tut, könnte sie sich dann in der Nähe aufhalten. Aber wo?
Nun ist die Zeit gekommen, in der die Falkenweibchen den potentiellen Vater ihres diesjährigen Nachwuchses testen. Kann er sie während der langen Brutzeit und danach den geschlüpften Nachwuchs gut mit Nahrung versorgen? Ist er fit und ein guter Jäger? Gibt es einen alternativen Terzel? Das spielt sich in gemeinsamen Flügen ab: Man verfolgt sich, man übersteigt sich, man stößt spielerisch aufeinander herab, man verkrallt sich in den Fängen und taumelt sich überschlagend und drehend in die Tiefe. Die Entfernungen, zwischen denen sich die beiden Partner zur Ruhe aufstellen/“aufbaumen“ nähern sich allmählich an, man „lahnt“ sich gegenseitig an und hält auf diese Weise Kontakt. Schließlich steht man sogar gemeinsam auf dem Turmkreuz der Kirchen. Der flinkere Terzel gern etwas höher als das stärkere Weibchen. Der Terzel versucht, dem Weibchen einen passenden Nistplatz zu zeigen und sie in diesen – gerne auch mit kleinen „Brautgeschenken“ in Form von Beuteresten – zu locken.PALATINA ist selbstverständlich längst mit unserem Nistkasten vertraut und wird diesen wohl selten auf seine Eignung überprüfen.
Nun ist auch die Zeit der Umpaarungen. Allmählich hat sich in den letzten Jahren die Zahl der Wanderfalken in Mitteleuropa erhöht, es gibt also viele männliche und weibliche Wanderfalken als Einzelvögel, die auf der Suche nach einem eigenen Territorium sind. Entdeckt z.B. ein ein- oder zweijähriges kräftiges Weibchen ein ansprechendes Territorium – und Heidelbergs Altstadt ist eines! – so wird sie vielleicht versuchen es zu erobern. Es kommt dann zu heftigen Kämpfen zwischen der Platzhalterin und der Neuen! Erfahrung und Routine stehen dann gegen jugendliche Kraft und Willen. Der territoriale Terzel nimmt oft eine distanzierte, beobachtende Rolle ein, manchmal beteiligt er sich auch mit deutlich geringerem Einsatz. Wir hatten solche Auseinandersetzungen im Februar/März der Vorjahre mehrfach über dem Himmel der Heidelberger Altstadt. Ich erfuhr dies meist durch erschrockene Anrufe „Ich halte mal das Telefon aus dem Fenster: Hören Sie das Gezetere und Geschrei? Soeben fallen beide Falken ineinander verkrallt zwischen die Hausdächer!! Oh, jeminé!“
Legendär bleiben uns die Webcam-Schnappschüsse vom 25. März 2009, als AURORA und JETTA ihren blutigen Kampf bis in den Nistkasten hinein austrugen.
Nein, natürlich wollen wir hier kein Drama sehen.
Danke, Coriena!
Same procedure
PALATINA am 30. Januar
Da freuen wir uns, dass auch PALATINA sich wieder sehen lässt!
Danke, Krystyna!
ZEPHYR & PALATINA sind ein vertrautes Paar
Bereits gestern fiel ZEPHYR uns auf, als er kurz nach dem Aufwachen gegen 8 Uhr, außen auf der Anflugstange stehend, kurz „lahnte“ – d.h. lang gezogenen Rufen – , dann zurück in das Kasteninnere eilte, dort noch einige „Ack-Zick“-Laute ausstieß und dann abflog. Das ist ein Zeichen, dass er PALATINA in der Nähe sah und sie in den Nistkasten locken wollte. Wir sind nun anfangs der Balz, ein Zeitabschnitt, in dem der Terzel ZEPHYR seiner Partnerin kleine Geschenke anbietet, das sind Beutereste, aber auch ganze Vögel. Diese Beuteübergaben geschehen im Flug, manchmal geht es recht rabiat zu. Nun fliegen die beiden auch gemeinsam. Die beiden kennen sich seit 2017, haben gemeinsam bereits schon Nachwuchs in die Luft gebracht und sind deshalb recht vertraut miteinander.
Es wird also noch einige Zeit dauern, bis es ZEPHYR gelingt PALATINA in den Nistkasten zu locken.
Danke, Krystyna!
ZEPHYR am 23. Januar
Danke, Coriena!
ZEPHYR, ein nervenstarker Falke
Zur Geisterstunde gestern am Mittwoch, 23. Januar, brach – fast in Steinwurfweite! – vor ZEPHYRs Schlafplatz in seiner Blickrichtung ! – ein Brand im Dachgeschoss eines Hauses am Marktplatz aus. Der Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung spricht von “ … starkem Funkenflug…zerplatzten Fensterscheiben … hohen Temperaturen“. 49 Personen mussten evakuiert werden. Man ahnt, dass der Lärm, Rauch und Unruhe ZEPHYR weckten. Bestimmt ist er davon geflogen. Wann kam er zurück?
Am Abend nahm ZEPHYR auf jeden Fall wieder seinen Schlafplatz ein.

ZEPHYR passt auf
Das ist auch angesagt, denn in den Vorjahren versuchten die Nilgänse, die traditionell nahe der Alte Brücke am Neckar leben, bereits Ende Januar diesen Nistkasten der Wanderfalken zu erobern. Wenn die Nilgänse im Nistkasten waren oder außen auf der Anflugstange triumphierten, flogen die Falken schimpfend ab. Aber bereits 2015 versuchten die Falken durch Angriffe in der Luft die anfliegenden Nilgänse von einer Landung am Turm abzuhalten. Mit Erfolg, aber nicht immer, konnten die Falken oberhalb des Turmes ihre schützenden Runden fliegen.
Das Abwehrprogramm mit Blitz und Lärm, das über Bilderkennung die Nilgänse – und nur die Nilgänse! – aus dem Nistkasten scheucht, ist nun wieder aktiv gestellt. Dennoch freuen wir uns, dass auch ZEPHYR und PALATINA dazu gelernt haben und im vergangenen Jahr erstmals selbst aggressiv einer Gans in den Nistkasten folgten und diese in Sekundenschnelle die Flucht ergriff, bevor das Abwehrprogramm startete!

Sterns Stunde
eine TV-Serie „Bemerkungen über…“ ist Fernsehgeschichte, an die sich wohl nur die älteren Besucher/-innen meines Tagebuchs erinnern werden. Es waren Tierfilme ohne „Eiapopaia über Tiere“, wie er mir sagte. Horst Stern, Journalist, Schriftsteller, Gründer des BUND ist am 17. Januar 2019 96-jährig gestorben. Er gehörte, wie auch der am Jahresende 2018 verstorbene Karlfried Hepp – Heiliggeist-Wanderfalkenpate 2007 – zu meinen Lebensbegleitern.
Ich kam mit Horst Stern Anfang der 1970-er-Jahre in Kontakt, als er für das Hamburger Magazin “ stern“ eine Reportage über die Ursachen des Wanderfalken-Rückgangs vorbereitete und ich mit Freunden einen der letzten Wanderfalkenhorste des Schwarzwaldes betreute. Wir waren uns wohl gegenseitig sympathisch, denn der Kontakt blieb darüber hinaus noch für einige Zeit erhalten. In seinem Band „Mut zum Widerspruch“, Reden und Aufsätze, 1974 im Kindler-Verlag, München hat er in seinem Beitrag „Streit um des Kaisers Vogel“ den seinerzeitigen Oberlehrer Gäng erwähnt und zitiert. Lesenswerter ist eines der schönsten Bücher über den Stauferkaiser Friedrich II., dessen Falkenbuch einige Jahre in der Heiliggeistkirche, Heidelberg lag: Das Buch von Horst Stern „Der Mann aus Apulien“, 1986, Kindler Verlag, gibt es auch auch als rororo -Taschenbuch.
ZEPHYR am 16. Januar 2019
Danke, Coriena!
Der Wanderfalke ein Gewohnheitstier
Pünktlich sehen wir – dank der wunderbaren neuen Cam 2 – täglich am späten Nachmittag, nach Einbruch der Dunkelheit, ZEPHYR der zur Nachtruhe kommt. Immer ruht er dann lange Zeit auf der rechten, nord-westlichen Seite des Nistkastens. Als Frühaufsteher entdecke ich ZEPHYR dann am frühen Morgen – mit großer Wahrscheinlichkeit – auf der linken, südwestlichen Seite des Nistkastens, meist noch im tiefen Schlaf.
Warum „wandert“ er während der Nacht?
Mich erinnert das an meine ersten Jahre – Mitte der 1960-er Jahre- als Betreuer eines Wanderfalkenhorstes in einem still gelegten Steinbruch im Nordschwarzwald. Dort hielt sich der Terzel zu Beginn der Balzzeit immer auf einem dicken, weit ausladenden Ast einer Eiche am oberen Rand des Steinbruchs auf. Nun ja, da hatte er die beste Aussicht auf die weite und ferne Umgebung. Dass aber auch seine Nachfolger 25 Jahre später, also ganz andere Individuen, exakt die gleiche Stelle auf dem gleichen Ast nutzten, ließ mich fast an die Unsterblichkeit der Wanderfalken glauben. Jenseits des Tales, 400 m entfernt, gab es eine starke Fichte, die den Gegenpol für das Falkenweibchen bildete. Auch dort standen Jahrzehnte später oft die Wanderfalken, allerdings mal rechts- mal links nahe der Baumspitze.
Auch die Lage der Nistgrube, die wir nun bald hier im Kasten sehen werden, befindet sich präzise seit 19 Jahren an gleicher Stelle. Warum nicht mal an anderer Stelle oder in einer Ecke? Selbst wir Menschen haben als „Gewohnheit“ intuitiv die gleiche Position der alten Cam 2 wieder für die neue Cam 2 übernommen.
ZEPHYR am 12. Januar
Danke, Coriena!
Freude über die neue Webcam 2
Seit gestern können wir die Bilder der neuen Webcam, die aus den eingegangenen Spenden der letzten Monate finanziert wurde, sehen. Nun haben wir also wieder auch bei Nacht Einblick, ohne die Falken durch das IR-Licht zu stören. Die neue Kamera wurde zuvor durch Dr. A.H. und Dr. E.S., Universität Bonn, an das Nilgans-Abwehr-Programm angepasst und entsprechend eingestellt. Herzlichen Dank! Das alles, auch die Montage am Donnerstag, ist zeitraubend und benötigt Fachleute, die das ehrenamtlich für uns erledigen! Das macht nicht nur mir Freude!
HERZLICHEN DANK!
Wanderfalken und Drohnen
Wenn diese beiden sich in der Luft begegnen, geht das nicht gut aus! Auch wir in Heidelberg sehen mit Sorge, dass immer wieder Drohnen am Himmel über der Altstadt zu hören und zu beobachten sind. Diese Drohnen machen Aufnahmen von unserer schönen Altstadt, vom Schloss, vom Neckartal und stellen diese Bilder – sie ähneln sich sehr – mit Freude und Stolz gern in den sozialen Medien.
Und wo fliegen diese Drohnen, um diese schönen Aufnahmen zumachen?
Über dem Tal, vor dem Schloss, über der Altstadt! Die beste Perspektive ergibt sich etwa in der Einflughöhe zum Nistkasten der Heiliggeist-Wanderfalken und direkt über der Kirche oder vor ihr.
Wir hatten vor Jahren eine gut dokumentierte Störung durch Drohnenflug in unmittelbarer Nähe während der Brutzeit, die PALATINA aus dem Nistkasten und zu lautstarker Aggression zwang.
Es ging damaals gut aus, nicht aber in der Nachbarschaft:
Danke, I.G.!
Lieben Wanderfalken Weihnachtsmärkte?
Das ist selbstverständlich eine alberne Frage!
Aber zu den Füßen (Fängen!) von ZEPHYR tummeln sich z.Zt. von früh bis spät zahlreiche Menschen, mit all dem, was den Besuchern optisch, akustisch, kulinarisch und olfaktorisch Freude macht.
Wir wissen selbstverständlich, nun im 21. Jahr in Heidelberg, dass die Falken oben am/im Kirchturm über unsere Aktivitäten im Wortsinn – erhaben – sind, – auf uns kaum herab schauen und eine völlig andere „Weltsicht“ auch in dieser Adventszeit haben.
Ist überhaupt schon Adventszeit?
Nö.
Danke, M.H.!

An jedem Abend, in jeder Nacht, an jedem Morgen
können wir uns z.Zt. am Anblick des zufriedenen-gelassenen ZEPHYR freuen, der sich nicht um unsere Sorgen kümmert.
Zu seinen Füßen ist nun ein sehr gut besuchter Weihnachtsmarkt eröffnet mit allem Drum & Dran an Besuchern, Licht, Musik, Gerüchen,. Das scheint ihn nicht zu stören. Der Zugang der Menschen auf den Marktplatz wird streng auf „2 G“ kontrolliert.
ZEPHYR fliegt darüber hinweg.

Sonntagsruhe
Ein satter ZEPHYR schaut in die Heidelberger Welt.
ZEPHYR und PERKEO
Die Dekoration und die Möbilierung des „Weihnachtsmarkt 2021“ beginnt bereit jetzt! Was zu Füßen der Wanderfalken wieder entsteht, sind Verkaufsbuden mit Speisen und Getränken um die verkleinerte (!) Nachbildung des „Großes Fass“ ( von 1759 mit 221 000 Liter) im Keller der Schlossruine, auf dem eine kleine Tanzfläche war.
Auf dem Marktplatz erkennen wir nun oben auf dem Fass als – etwa 2 m große Figur – den Zwerg PERKEO mit Weinhumpen.
Nein, ZEPHYR steht nicht Auge in Auge mit der Holzfigur.
Die Falken stören sich nicht an diesem recht hohen „Kunstwerk“, das fast die Höhe des Kirchendachs erreicht. Sie haben sich auch an den nächtlichen Lärm der Glühweintrinker und Bratwurstesser gewöhnt, der nun bald bis Weihnachten – auch über unsere Cam 2! – zu hören ist.
Foto: RNZ, Heidelberg v. 12.11.2021

Morgendliches Ritual zu beobachten
Ich zitiere aus einer Zuschrift: „Die letzten Nächte hat ZEPHYR wieder im Turm übernachtet. Ich finde es interessant, dass er eine Art innere Uhr hat und regelmäßig zur gleichen Zeit aufwacht und sein Morgenprogramm absolviert: Gefiederpflege, Stretching, Gähnen, Gefiederpflege und meistens gegen 6:30 Uhr „Abflug“
Meine Antwort: „Wenn ich noch Lehrer wäre, wäre das eine gute Aufgabe für ein Projekt:
>Dokumentiere, für eine Woche/einen Monat , wann ZEPHYR den Nistkasten aufsucht und wann er ihn verlässt. Notiere parallel dazu die Zeiten von Sonnenaufgang-/-Sonnenuntergang ! Was schließen wir daraus?<
- Danke S. F. und C.S.!




