Eine müde LISELOTTE
Danke, K.!
Danke, K.!
„Kurz ist das Leben der Schule, lang ist die Schule des Lebens.“ DAS schrieb ich oft in meinen 42 1/2 Dienstjahren als Lehrer und Rektor meinen Schülerinnen in deren „Poesiealbum“. (Gibt es das eigentlich noch? Sind die Einklebebildchen dort immer noch so kitschig?)

Die „Schulzeit“, um vom abhängigen Jungfalken zum selbständigen Wanderfalken zu werden, dauert nur wenige Wochen. Der Abschluss ihrer Ausbildung ist – im Gegensatz zu unserem- ohne zweite oder gar dritte Chance. Entweder der junge Falke kann erfolgreich fliegen und jagen, oder er überlebt das erste Lebensjahr nicht! Die Sterblichkeit junger Wanderfalken ist hoch, die Fachbücher schreiben, dass nur etwa 30 %-35 % das zweite Lebensjahr erreíchen und dass im zweiten Lebensjahr noch einmal weitere 15 % zu Tod kommen.
Nun fliegt das 2023-QUARTETT bereits in die zweite Woche und die Jungfalken sind in der Luft gut unterwegs. Auch die Landungen gelingen nun. WIR können sie kaum noch von den Eltern unterscheiden, wenn wir Wanderfalken über uns sehen.
Erleben wir die Jungfalken an der Jesuitenkirche, dann hören wir und erleben wir sie als bettelnde „Kleinkinder“, falls ein Elternteil sich sehen lässt. (Man kennt das auch von Amseln, Spatzen u.s.w. an unseren Wohnungen.)
Üblich ist nun in dieser „Bettelflug-Phase,“ dass die Nahrungszufuhr an die Jungfalken mit Unterricht verknüpft ist. Die (bereits getötete, kopflose) Beute muss hoch in der Luft gegriffen werden. Ein Elternteil zieht mit der Beute nach oben und lässt die Beute – vor der Nase – äh! Schnabel/Fängen – der anfliegenden, bettelnden Jungfalken fallen. Diese stoßen nach und ergreifen sie, bevor sie auf den Boden fällt.
Nur zweimal in diesen 23 Jahren beobachtete ich – von der Terrasse des Stückegarten am Schloss aus -, dass kurz bevor die herabfallende Beute auf die Hausdächer fiel, blitzschnell – wie aus dem Nichts – der andere Elternteil seitlich herbei schoss, die Beute ergriff und steil damit nach oben flog und rasch Höhe gewann! Verfolgt von weiteren zeternden Jungfalken. Leider verschwanden sie neckaraufwärts hinter der Schlossruine und ich konnte nicht beobachten, dass sich die Fallenlassen-Nachstürzen-Ergreifen-Lektion wiederholte. Gut möglich, dass auch beim weiteren Fehlgriff/folgenden Fallen des Beutevogels der andere Elternteil, unten fliegend, bereit war, bei einem Fehlstoß erneut die wertvolle Nahrung zu retten.
Dennoch berichtet man mir gelegentlich, alle zwei Jahre etwa, dass kopflose Tauben auf Dächern, Gärten und Straßen Heidelbergs gefunden wurden. Nein, weder junge noch erwachsene Wanderfalken kommen in der Stadt hinunter auf den Boden, um dort Beute zu greifen. Unterhalb der Hausdächer habe ich hier noch nie einen Wanderfalken gesehen.
scheint LISELOTTE zu denken. Noch hat sie nicht den Schlafplatz eingenommen, den sie nach ihrem Einzug im Frühjahr ZEPHYR abgenommen hat und hält Abstand zu der Revisionsklappe. (Sie hat diese noch nie geöffnet erlebt.) Ob sie ahnt, dass hinter den Wänden eine andere Welt ist?
Alle Heidelberger Falkenweibchen (AURORA, JETTA, PALATINA) haben nach der Brutsaison sich bisher nicht mehr im Nistkasten blicken lassen. ( Als Mensch kann man nachempfinden, dass die Weibchen erst einmal wieder im Freien leben wollen.) Auch außen auf der Stange waren sie im Sommer und Herbst nur noch selten zu erblicken. LISELOTTE übernachtet offensichtlich gerne hier. Ist sie zum Standvogel geworden und wandert überhaupt nicht mehr? Ob ZEPHYR im Herbst dort wieder einziehen wird?
Wir wissen noch sehr wenig über das Territorialverhalten unserer Heidelberger Wanderfalkenpaare. Weil dieses Territorium offenkundig sehr attraktiv – auch für unsere Spezies! – ist, vermute ich, dass ZEPHYR & LISELOTTE ganzjährig hier leben.
Danke, M.H.!

Um 10,30 Uhr kann die vierköpfige Putztruppe – Falkenpate 2013 Dr.KF.R., der bereits im Vorjahr beteiligte G.St., W. L. und ich – alle Mitglieder des NABU Heidelberg- Kirche und Turm betreten. Ja, 14 Tage Verspätung! Wechsel des Falkenweibchens und späteren Brutbeginn, hatte den Zeitplan der Beteiligen gestört. (Auch ich war zuletzt einige Tage nicht in Heidelberg.)
Oben auf dem Turmumgang angekommen, zeigt unser Rundumblick einen Falken auf dem Balkon der Jesuitenkirche. Direkt über uns streicht plötzloch ein Jungfalke vom „Kapellchen“ ab und fliegt gemächlich hinüber zur Nachbarkirche.
Im „Falkenzimmer“ angekommen: Kleidungswechsel, Mundschutz aufsetzen, Handschuhe anziehen, Mülltüten, Sandkratzer, Spatel, Schüssel, Pinsel, Farbbecher, Farbtuben suchen – Oh, fast alle eingetrocknet, ob das ausreicht? – Glasreiniger, Wischtücher, Transportsack, Eimer, Rührlöffel, Wasser richten. Stecker der Cam 1 und Cam 2 ziehen. Schlüssel zur Kastenluke aus dem Versteck holen, aufschließen, Deckel sichern.
Dann an die Arbeit in Hitze und Staub. Puh! warmer Wind bläst uns viele kleine Federn entgegen. Kasteninhalt im Kasten in kleinere Mülltüten füllen, verknoten, runter reichen, Tüte in Müllsack. Waren es vier oder fünf Mülltüten Federn und Reste? Gehärteten Sand im vorderen Bereich mit Gartenhandharke lockern, verschmutzten Sand heran ziehen, mit Spatel Ränder und Ecken frei kratzen, einen Eimer Sand entnehmen, einen Eimer neuer Sand einfüllen. Mit Glasreiniger und Tuch die Plastikglasdome der Cam 1 und Cam 2 vorsichtig reinigen.
Zwei Putzmänner wechseln sich, auf einer Leiter außen stehend, sich weit in den Kasten hinein beugend, bei dieser Arbeit ab. Die beiden anderen nehmen die Beutel und Sandschüsseln ab, füllen damit den großen Müllsack und den Eimer und reichen neuen Sand hoch. Sie fegen mit einem Besen die zahlreichen Federn auf dem Boden des „Falkenzimmer“ zusammen. Sie quetschen letzte Farbreste aus alten Farbtuben in Gläser und rühren die Farbe mit Wasser an.(Der Wasserkanister, 2000 gefüllt, ist noch halb voll.) Oben auf der Leiter lösen sich die Maler ab. Die Farbe reicht, prima!
Aufräumen und Abstieg über eine Leiter mit Sack und Eimer in das „Uhrenzimmer“ , dann eine Treppe an den Glocken vorbei, auf den Balkon. Licht aus, abschließen, letzter Umblick vom Balkon, keine Falken zu sehen. Erste Besucher auf dem Umlaufbalkon staunen über die vier „Handwerker“, auf der engen Wendeltreppe nach unten kommen uns Dutzende Touristen entgegen: “ Ja ,noch 200 Stufen! Dann aber tolle Aussicht.“ – Turmschlüssel abgeben. Mit Müllsack und Eimer zum Auto.
Ihre Aufenthaltsorte sind die nächsten Wochen hoch gelegene Stellen, von denen sie eine gute Aussicht haben. Denn sie sind noch immer vollständig von den Eltern abhängig, die sie mit Nahrung versorgen. Dass wir erstaunt sehen, dass sowohl LISELOTTE, wie auch ZEPHYR, täglich den Nestkasten überprüfen, ob dort in einem Depot noch Beute vorrätig ist, zeigt, dass auch die Altfalken einen Jagdflug nicht aus Langeweile beginnen, sondern ihre Kräfte einteilen. Nur etwa jeder vierte Jagdflug ist auch für erfahrene Falken erfolgreich, schätzt man.
Nun muss der Nachwuchs um die Nahrung „kämpfen“! Diese wird jetzt nicht mehr „auf dem Teller“ serviert, die Jungfalken sollen nun – in einem Wettbewerb untereinander – sich darum bemühen, satt zu werden! Von den Türmen der Kirchen fliegen die Jungfalken, bereits schnell und geschickt, den Eltern, deren Anflug sie bereits aus weiter Entfernung erkennen, schreiend entgegen und versuchen – selbstverständlich gegen deren Widerstand – bereits hoch in der Luft die Beute abzujagen!
Die Altvögel steigen dabei nach oben fliegend, der schnellste Jungfalke greift, von unten anfliegend , den Beutevogel. Auch dann hält der Altvogel oft noch die Beute fest oder lässt sie vor dessen Zugriff fallen: So lernen die Jungfalken das Zugreifen.
Schließlich landet der „siegreiche“ Jungfalke mit der Beute z.B. auf dem Umlaufbalkon der Jesuitenkirche, der nicht öffentlich für uns Menschen zugänglich ist. Aber auch dort wird er nun von seinen Geschwister recht grob attackiert, die Hunger haben.
Das sind dann erste Unterrichtsminuten „Wie ergreife ich als Wanderfalke die Beute im Flug und verteidige sie?“ Es dauert etwa zwei Wochen, bis die Jungfalken selbst einen Vogel in der Luft jagen und ergreifen können.
Oder will er ein Signal setzen, das „Falkenzimmers“ möge gefälligst mal aufgeräumt und geputzt werden ?
(Das wird noch dauern, der Putzmann ist einige Tage nicht in der Stadt.)
Danke, D.B.!


Wahrscheinlich werden in diesen Tagen die vier Jungfalken erstmals in ihrem Leben etwas trinken! Und auch das müssen sie lernen, vor allem den Ort kennen, an dem sie ungestört und geschützt in Ruhe trinken und baden können. Das ist angeboren und sie benötigen dazu keinen Lehrer. In der Saison 2023 erlebe ich erstmals, dass mich keine Frage erreichte, warum die Küken und Jungfalken während der langen Wochen ihrer Entwicklung im Nistkasten nichts trinken. (Ich erinnere mich an eine Zuschrift, ich solle jetzt doch endlich ein Schälchen Wasser zum Trinken und Baden in den Nistkasten stellen. Und das Wasser dann bitte-schön täglich erneuern.)
Ich werde nicht den Stoffwechsel der Greifvögel, der ganz anders als unserer ist, beschreiben – die Schüler, die 1999-2005 an diesem Projekt mitarbeiteten, staunten: „Oh, der Kot ist ja schneeweiß!“ – aber die schnelle Antwort heißt: Ja, ausgeflogene Wanderfalken trinken und baden! Baden sogar täglich und mit sichtlichem Genuss!
Ich halte mich heute nicht an die Regel, hier nur über die HEIDELBERGER Wanderfalken zu berichten und Hinweise im Gästebuch nur zu HEIDELBERG zu dulden. Es gibt in den Tiefen des Internets eine anschauliche Dokumentation, in der u.a. Wanderfalken am Wasser gezeigt werden. Auch sehr schöne Aufnahmen fliegender Wanderfalken.
Also heute zur Brücke in die falkenlose Zeit eine Ausnahme von meinen Regeln!
Vom Kassenwart des NABU Heidelberg erhalte ich wieder gute Nachricht: Seit meinem letzten „Dankeschön!“ vom 13. Mai sind bis Ende Mai erneut Spenden eingegangen:
Von Frau M.Sch., von Herrn H.P.Stumpf, von Frau M.R., vom Paar P. und A. B.,von Frau K.G., von Herrn G.J.P.B., Von Frau M.H.Schw., von Frau Ch.S.-A.
Mit Ihrer Spende sichern Sie erneut, dass über die drei Cams und Livestream von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen am wilden Leben über unseren Köpfen teilnehmen können. Vielen Dank auch für diese Form Ihrer Anerkennung!
Auch mir ging es wie den Freundinnen und Freunden im Gästebuch: Haben die vier Jungfalken diese nächtliche Stunde mit Feuerwerk, Raketen, Qualm und Lärm überstanden? Sind sie zurück und wohlauf?
Ich traf mich bereits um 10 Uhr mit meinem Freund Dr.KF.R, Falkenpate und Naturschutzbeauftragter der Stadt Heidelberg, beide bewaffnet mit Feldstecher ,auf dem Umlaufbalkon der Heiliggeistkirche. (Wir hatten die Position und Lichtverhältnisse, wie auf dem Bild unten.)
Mit großer Freude entdeckten wir auf dem Umlaufbalkon der nahen JESUITENKIRCHE rechts außen zwei Jungfalken nahe beieinander, ein dritter Jungfalke ca. 5 m höher, links hinter einem Steinkreuz, wir sahen nur seinen – eindeutigen! – Schattenriss auf der Turmwand. Am Rand der Kuppel, rechts oben, einen Altfalken (nicht sichtbar für und nicht anzubetteln von dem Nachwuchs darunter). Aus Osten, durch eine erfreulich große Zahl von Mauerseglern – die lässig und blitzschnell Platz räumten, flog nach einiger Zeit ein Altfalke herbei, kurvte um den Turm, -Geschrei der Jungfalken – , flog an der Waldkante zurück zum Schloss und verschwand für unsere Feldstecher an der Front des „Englischen Bau“ – (Aha! Wohl eine Warte! Dort oben an der Kuppel des Jesuitenkirchtums ein grell-weißer Fleck! Aha! Ein Schlafplatz eines Aktfalken! )
Warum flog der Altfalke an den beiden Jungfalken an der westlichen Balkonmauer vorüber? Warum turnt dort eine Rabenkrähe so auffällig hin und her auf dem Geländer des Gerüsts, das noch die Basis der Spitze des Turms der Universitätsbibliothek umschließt? (auf dem Foto unten ist das Gerüst nicht sichtbar!) OH! DA steht ja NOCH ein Jungfalke! Also sind da jetzt in diesem Moment vier Jungfalken UND oben ist ein Elternteil zur AUFsicht dabei!!
Hurra! Der Tag ist auch für uns gerettet!
Selbstverständlich blieben wir noch eine weitere Stunde, zählten immer wieder die Falken, bis uns die Augen hinter dem Feldstecher tränten. Dann rasch hinunter, Schlüssel abgeben, nach Hause zum Rapport bei Familie und auf der Website.

Sie schaut, ob noch etwas mitzunehmen ist, sie hat ja weiter vier hungrige Jungfalken zu versorgen. Und sie muss wissen, wo diese sind…
Danke, M.H.!
