Seit 1999 schreibt Hans-Martin Gäng das Tagebuch über die Heidelberger Wanderfalken. In über 5000 Einträgen können Sie nachlesen, was seit 1999 alles passiert ist. Dort finden Sie auch viele Informationen zur Biologie des Wanderfalken und zum Verlauf der Brut und Aufzucht des Nachwuchses.
Seit 1999 schreibt Hans-Martin Gäng das Tagebuch über die Heidelberger Wanderfalken. In über 5000 Einträgen können Sie nachlesen, was seit 1999 alles passiert ist. Dort finden Sie auch viele Informationen zur Biologie des Wanderfalken und zum Verlauf der Brut und Aufzucht des Nachwuchses.
Der Flug des Wanderfalken
ist spektakulär und unfassbar virtuos, – aber nicht der erste Flug! Bereits der erste Start geschieht überraschend – schwups! – und wenn wir nachzählen, fehlt ein Jungfalke. Der Erstflug ist ein mühsames Flattern und endet hier in Heidelberg oft nach 20 Metern auf dem Kirchendach oder auf einem Dach in der Nachbarschaft. Leider landen auch manche auf dem Boden, was ein hohes Risiko bedeutet: Schnell fahrende Autos oder rasende Radler (häufig in Heidelberg), Schutznetze und Stacheln zur Taubenabwehr, aggressive Hunde, der nahe Neckar …
Jedes Jahr erhalte ich Anrufe: “ Gegenüber auf dem First des Hausdachs steht einer IHRER Falken und schreit jämmerlich seit 10 Stunden! Helfen Sie ihm! Er bettelt, aber seine Eltern fliegen nur um den Turm.“ Ja, aber wie? Womit? Meine angebotene Wette, dass der Dachfalke, – oft inzwischen in der Regenrinne stehend, am folgenden Morgen verschwunden sei, hätte ich immer gewonnen. Meine Erklärung, dass ich die Eltern des Falken nicht bitten könne, ihr Kind endlich zu füttern und dass der ausgeflogene Falke auf diese Weise zum Zweitstart angeregt würde, wird dann zögerlich akzeptiert. (Ich war ja 47 Jahre erfolgreicher Lehrer.)
Fast jedes Jahr wird mir berichtet, dass ein erststartender Jungfalke, – den freundliche und mutige Menschen auf dem Boden bergen oder bewachen, bis er wieder auf Flughöhe gesetzt wird, – von einer Gruppe von Rabenkrähen (Corvus corone), die in und über der Altstadt leben, sofort angegriffen und zu Boden gedrückt worden wäre.
Erstaunt bin ich dann, dass bereits wenige Tage nach dem Ausfliegen sich das Blatt gewendet hat: Jungfalken fliegen dann bereits hervorragend, ja, verfolgen dann schon spielerisch andere Vögel, auch Krähen, in der Luft. Manche Jungfalken kommen auch zwei Tage später, souverän landend, zum Nistkasten zurück, da gab es doch immer etwas zu knabbern…
Soll ich oder doch noch nicht?
Danke, M.H.!

Ermunterung zum Erstflug
Nun gibt es interessante Szenen zu beobachten, – leider können uns das unsere drei Webcams nicht zeigen. (Es geht halt nichts über die Originalanschauung mit allen unseren Sinnen vor Ort!)
Selbstverständlich wird das Quartett – bis zum letzten Starter – noch mit Nahrung versorgt, aber das Leben im Schlaraffenland ist nun vorbei! Der Hunger wird die Jungfalken nun einzeln zum Ausfliegen bringen. Meist starten zuerst die Terzel. Ich erinnere mich an typische Szenen, die man vom Marktplatz aus – erfreulicherweise gibt es dort gastronomische Angebote aller Art mit vielen Sitzplätzen im Freien – lässig mit einem Drink oder Eisbecher zurückgelehnt, beobachten kann:
Ein plötzliches Gekreische lenkt unseren Blick nach oben. Wir sehen LISELOTTE oder ZEPHYR ankommen, mit oder ohne Beute. Nun aber nicht mehr direkt in den Nistkasten hinein fliegend! In gemächlichem Schleichflug, mal engere Kreise, mal größere Kreise ziehend, kurvt der Altfalke um den Turm! O je! Nun streicht er gemütlich Richtung Osten, ggf. mit der Beute in den Fängen, ab!
DAS nennt man, auch für uns Menschen verständlich, ein deutliches Signal: Verfolge mich! Hole Dir Deine Nahrung! Die Jungfalken sind, auch nach dem Ausfliegen, noch einige Wochen nicht fähig selbst Beute zu schlagen, werden aber so entwöhnt.
Danke, D.B.!

Bald werden auch wir fliegen …
Danke, K.!
Am Vormittag sehen wir jede Kleinigkeit, am Nachmittag schauen wir in ein trübes Grau
Viele neue Besucher/-innen ärgern sich an sonnigen Tagen zwischen 16 Uhr und 18 Uhr, weil die – jetzt besonders wichtige – Sterbeglöckchen-Cam 3, vom Kirchendach auf den Nistkasteneingang gerichtet, nur schlechte und graue Bilder zeigt!
Das ist schnell erklärt, ich zitiere aus meinem Tagebuch der Vorjahre:
“Vier Jungfalken “gieren” gleichzeitig und recken die Köpfe. Sie haben frühzeitig Mutter oder Vater im Anflug mit Beute in den Fängen entdeckt! Der Altfalke kommt – fast immer – in einer großen Kurve einschwenkend über das Palais Boisseré und Rathausdach direkt auf den Nistkasten zugeflogen! Am späten Nachmittag steht dann die Sonne direkt hinter dem Heiliggeistkirchturm!
Der in beträchtlichem Tempo herbei rauschende Falke fliegt also die letzten 50 m direkt auf die Sonne zu! Er fliegt aus dem hellen Sonnenlicht auf den letzten 20 Metern zur Anflugstange direkt in den schwarzen Schlagschatten des Turms. Was bedeutet das für seine Augen und sein Gehirn? (Jede(r) unserer Besucher/-innen kennt diese Situation als Autofahrer/in, wenn wir auf der Autobahn in die tief stehende grelle Sonne blicken und plötzlich in ein dunkles Tunnel einfahren!)
Die Webcam 3, befindet sich etwa in gleicher Position wie der anfliegende Falke – 6 m tiefer auf dem Sterbeglöckchenturm des Kirchendachs – und ist auf den Nistkasteneingang gerichtet! Wenn am Vormittag die Sonne auf dem Nistkasteneingang liegt: herrlich!
Am Nachmittag, wenn die Sonne hinter dem Kirchturm steht, versagt die teure Optik! Gleichzeitig direkt in Richtung grelles Sonnenlicht und in den schwarzen Schatten filmen, das kann die moderne und teure Kamera nicht,! Auch unsere Menschenaugen versagen bei dieser Aufgabe: Auch wir brauchen einige Zeit um unseren Blick vom hellen sonnigen Himmel zum Blick in das schwarze Gully-Loch anzupassen, in das wir gerade unseren Autoschlüssel fallen ließen…
Kein Problem für die Falken! Deren Augen können offensichtlich blitzschnell umschalten! Grell hell, nun dunkel! Absolut sicher bremst der Falke in Sekundenbruchteilen seinen Flug ab, findet die Lücke über den vier kreischenden und flatternden Jungfalken, die den Eingang blockieren, und “plumpst” mit der Beute in den Fängen in den Nistkasten.
Das sind AUGENBLICKE, die mich sprachlos machen: Was müssen die Falkenaugen, das kleine Vogelgehirn, die Nerven, die Muskeln, die Fänge in Sekundenbruchteilen verarbeiten! Und statt sich der Falke – „Eine Sekunde, bitte! „– etwas entspannen könnte, fallen die Jungfalken ihn sofort geradezu an: HUNGER!!”
„Nun benehmt Euch doch mal gesittet!“
möchte man zur Zeit den Jungfalken zurufen, wenn ZEPHYR oder LISELOTTE mit Beute einfliegen.Wir haben seit etwa einer Woche miterlebt, wie die Zahl und Masse der übergebenen Beutevögel abnimmt und die Wartezeiten oft lange werden. Obwohl das Quartett nun einen hohen Bedarf an Nahrung hat.
So kommt es zur notwendigen (!) Aggressivität unter den Geschwistern und auch gegenüber den Eltern, LISELOTTE kann sich bei dieser Mahlzeit buchstäblich nur durch Flucht ins Freie retten.
Die jungen Falken haben bisher nichts anderes erlebt, als dass regelmäßig Nahrung geliefert wurde. Schlafen und Wachsen war das Tagesprogramm. Nun ist für sie eine neue Welt entstanden, seit sie vom Eingang des Nistkastens und von der Anflugstange eine Fernsicht bilden.
Inzwischen sind die Jungfalken groß und schwer geworden. Durch das noch „flaumige“ Untergefieder sehen sie für uns sogar größer als die Altfalken aus. Auch im Gewicht (Terzel etwa 800 g, Weibchen etwa 1 000 g) sind sie ihren Eltern nun sehr ähnlich. Aber beim Nachwuchs ist da noch viel „Babyspeck“ und wenig voll entwickelte Muskulatur in der Körpermasse, die jetzt bei den fast flüggen Jungfalken nötig ist.
Der Hunger wird die jungen Falken zum Absprung treiben! Sie wollen den in der Nähe fliegenden Eltern, die oft demonstrativ mit Beute in den Fängen am Turm vorbei (!) fliegen, als erste die Beute entreissen.
Passend zu den z.Zt. hohen Temperaturen: Die Jungfalken haben bisher noch nie etwas getrunken! Sie nehmen noch alle wichtigen Stoffe aus der Nahrung zu sich.
Es wird dann noch einige Zeit dauern, bis sie Wasserstellen anfliegen und täglich ausgiebig baden werden.
LISELOTTE ergreift die Flucht
vor dem sie bedrängenden Quartett und steigt auf die Gitterstange, die wir 2015 als zusätzlichen Schutz vor der Nilgans montiert hatten.
Danke, M.H.!

Passend zur Visite der Königin unten am Rathaus
zeigen die Jungfalken einen Kronengruß.
Danke, H.K.!

Jungfalken am 25. Mai
Danke, K.!
Logenplatz für Königinbesuch
Drei Jungfalken und rechts ZEPHYR in der Morgensonne! Ob sie bereits auf den Besuch von Königin Silvia von Schweden warten, die heute gegenüber um 16 Uhr zur Übernahme der Ehrenbürgerinschaft von Heidelberg im Rathaus erwartet wird?
Danke, D.B, M.L. u.a.!

Nicht anzusehen!
ist es für uns Menschen, als heute gegen 13.30 Uhr der erste Jungfalke den Schritt hinaus auf die Anflugstange wagte. Man glaubt, jeden Moment bläst ihn der Wind davon oder er greift ins Leere und stürzt ab … Es gibt nun aufregende Szenen über Cam 3 für uns und unsere Nerven!
Ich will es nicht herbei reden, aber noch nie in 23 Jahren ist hier ein Jungfalke von der Stange vorzeitig abgestürzt. Es werden noch einige Tage, vielleicht noch eine ganze Woche vergehen, bis zuletzt auch der vierte Jungfalke den Sprung in die Luft wagt.
Zunächst wird nun das „Hinaus und Zurück“ umständlich eingeübt, das Wenden mit sicherem Griff, das Platz gewähren oder auch nicht für die Geschwister, das Flügelschlagen ohne abzuheben, den Flügelschlag des Nachbarn, der Nachbarin wegducken und ertragen lernen. Vor allem aber Augen auf, interessante Ziele fokussieren, den Flug anderer Vögel am Himmel verfolgen und warten auf einen Elternteil, der – hoffentlich – Beute herbei trägt.

Das sollte das Quartett nun häufiger trainieren!
Danke, O.S.!
Noch stehen Alt & Jung friedlich beieinander
Danke, A. Sch.!

Nun beschleunigt sich die Entwicklung der Küken
Ihre Beweglichkeit wächst täglich, ihr Sehvermögen wird schärfer.
Danke, A.Sch.!


In tiefer Dunkelheit
Wie jede Nacht, sehen wir LISELOTTE beim Nachwuchs. Cam 2 zeigt das auch bei völliger Dunkelheit im Nistkasten uns über Infrarotlicht. Ihr inneres Augenlid sehen wir weiß leuchten, also schläft auch sie in diesem Augenblick. Aber oft ist sie auch nachts – zeitweilig – hellwach.
Danke, A.Sch.!

Als wir nach der Beringung auf dem Umlaufbalkon standen
beobachtete uns eine schimpfende LISELOTTE!
Auf dem unteren Bildausschnitt sehen wir, wie sie beim Landeanflug in den Nistkasten abbremst: Öffnen der Stoßfedern, Verbreitern der Flügelflächen, Steuerhilfe mittels der „Mesken“ – das sind abspreizbare harte Federn an den Schultern (besonders wichtig bei hohen Geschwindigkeiten.)
(Wir Menschen erinnern uns an unsere Beobachtungen aus dem Flugzeugfenster auf die Flügel, wenn der Pilot diese Flügelflächen kurz vor der Landung ausfährt und gegen den Luftandruck aufstellt.)
Danke, V.P.!



Welche Namen tragen die Küken 2024?
Wir denken selten daran, dass alle 83 jungen Wanderfalken hier unter dem Dach einer Kirche das Licht der Welt erblickten. So bin ich in diesem Jahr gerne dem Namenvorschlag des Heiliggeist-Pfarrers und Namenpaten von 2019 Dr.Vincenzo Petracca gefolgt:
JOHANN
Dr. Petracca berichtet:
„Im Pfälzische Erbfolgekrieg schlossen 1693 Soldaten des Sonnenkönigs Hunderte von Schutzsuchenden in Heiliggeist ein. Plötzlich ging die Kirche in Flammen auf. Die Chroniken erzählen, dass die Glocken als flüssige Schmelze herabkamen. Ein couragierter junger Pfarrer namens Johann Schmidtmann verhinderte ein infernalisches Kriegsverbrechen. Französisch sprechend, bewegte er die zunächst unwilligen französischen Offiziere, eine Tür zu öffnen. So rettete er viele Menschen. Er hätte eine Gedenktafel in Heiliggeist verdient.“
ANDREAS
Mit diesem Namen möchte ich Andreas Kellner ehren, den Vorsitzenden des NABU Heidelberg. Er ist zusätzlich für die Kassenführung unseres Wanderfalkenprojekts zuständig. Er verwaltet den Eingang der Spenden und die Ausgaben, die bei den Wanderfalken Heidelbergs entstehen. Als er vor einigen Jahren die komplizierte Finanzierung unseres Projekts in den ersten Jahren überprüfte und in Ordnung brachte, fiel mir ein Stein vom Herzen.
Danke, K.F.R!.

Heute wurden die beiden Küken beringt.
Erfreulicherweise waren die Eltern nicht anwesend oder in der Nähe, als wir die Klappe öffneten und die Küken in das Körbchen setzten. Lauter Protest kam natürlich von den Küken! Schwarzes Tuch darüber, sofort Ruhe!
Wie eine Beringung abläuft, habe ich in den Vorjahren oft beschrieben , s. Gäng`s Tagebuch -Archiv unter passenden Stichworten, Daten April und Mai.
Dr. M.P. der seit vielen Jahren im Auftrag des Max-Planck-Instituts (Vogelwarte Radolfzell) die Heidelberger Falkenküken beringt, hatte in diesem Jahr Begleitung von dem Beringer aus 2006, 2007, 2008 Dr. J.E., sodass der Naturschutzbeauftragte der Stadt Dr. K.F.R. und Hausherr Pfarrer Dr. P. und ich in der Zuschauerrolle bleiben konnten.
Beide Küken wurden von den Fachleuten als gesund, kräftig und gut ernährt befunden. Wir waren uns auch über deren Geschlecht einig, das ich aber nicht verrate. (Unsere Gäste werden das bestimmt bei der weiterer Entwicklung der beiden richtig raten! Ich bin gespannt)
Eine Küken erhielt die gut sichtbare Kennziffer SX/Y das andere NA/T..
(Ich selbst war mit der „Aufsicht“ so beschäftigt, dass ich keine Fotos mit meinem Mobilephone machen konnte.)
Fotos wurden von den Beteiligten gemacht, sie erreichen mich bestimmt.
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