Seit 1999 schreibt Hans-Martin Gäng das Tagebuch über die Heidelberger Wanderfalken. In über 5000 Einträgen können Sie nachlesen, was seit 1999 alles passiert ist. Dort finden Sie auch viele Informationen zur Biologie des Wanderfalken und zum Verlauf der Brut und Aufzucht des Nachwuchses.
Seit 1999 schreibt Hans-Martin Gäng das Tagebuch über die Heidelberger Wanderfalken. In über 5000 Einträgen können Sie nachlesen, was seit 1999 alles passiert ist. Dort finden Sie auch viele Informationen zur Biologie des Wanderfalken und zum Verlauf der Brut und Aufzucht des Nachwuchses.
Tatsächlich! Vier Eier …
Schon zweimal wurde ich fast ungläubig-kritisch gefragt „Vier Eier? Echt? Ich habe schon mehrfach auf Ihre Website geschaut und NICHTS gesehen außer einem schlafenden Falken!“
Ja, die Eier sind echt und auch wirklich vorhanden. Frau Lisa B. hat mir heute dieses prächtige Foto der vorbildlich besorgten PALATINA gesandt, danke!

Beharrlich, zuverlässig, ununterbrochen …
Ich suche nach Worten, um das Brutverhalten von PALATINA und ZEPHYR zu beschreiben. Die beiden betreuen das Gelege auch in dieser Saison vorbildlich! Ich habe seit zwei Wochen keinen Blick mehr auf die vier Eier werfen können, so schnell vollzieht sich der Brutwechsel. Das ist auch notwendig. Wenn ich am Morgen zum Briefkasten gehe, um die Zeitung zu holen, sind die Autoscheiben seit zwei Wochen mit einer Eisschicht überzogen. Auch heute, obwohl dann die Sonne schnell die Temperaturen steigen lässt.
Mauser
Auch soeben, um 11.15 Uhr, konnten wir sehen, wie PALATINA sorgfältig ihre Stoßfedern durch den Schnabel zieht. So sorgt sie dafür, dass die feinen Teile der Federfahne mit ihren Strahlen gut ineinander verhakt sind. Nur ein gut gepflegtes Großgefieder erlaubt den Falken einen Jagderfolg. Wenn wir hier ZEPHYR und PALATINA bei längeren Aufenthalt beobachten können, so pflegen sie während dieser Ruhezeiten oft ausgiebig ihr Gefieder. Bei der Mauser der Vögel, meist nach der Brutzeit oder vor der Zugzeit der Langstreckenflieger findet das Abwerfen der alten Federn und das erstaunlich schnelle Ausschieben der neuen Federn statt. Das wird über die Tageslänge und Hormone gesteuert. Selbstverständlich nicht an einem Tag, sondern in einer bestimmten Reihenfolge! (Ich finde z.Zt. in meinen Unterlagen leider nicht die Reihenfolge, in der die großen Federn der Schwingen und des Stoßes der Wanderfalken plötzlich Lücken aufweisen und uns den Fortgang der Mauser zeigen.)
Ja, es gibt – beim Wassergeflügel – eine Synchronmauser, in der die Vögel in kürzester Zeit ihr Großgefieder abwerfen. Sie sind dann kaum fähig zu fliegen. Wir finden dann viele Federn auf der Neckarwiese und die Vögel sind auffallend häufig auf dem Wasser.
Mit begehrlichen Augen
wird heute manche/r Besucher/in in den Nistkasten schauen! Selbst ich würde gerne jetzt hinein langen und die Feder entnehmen, welche PALATINA heute Nacht hier hinterlassen hat. Dass das Falkenweibchen jetzt während der Brutzeit die Mauser – also einen Wechsel des Federkleids – vollzieht, ist natürlich in diesem Zeitraum ideal. Denn jetzt ist PALATINA weniger unterwegs und wird von ihrem Partner mit Nahrung versorgt.

Halbzeit
Samstag nachmittag ist Fußballzeit und so fällt mir ein, dass heute – 16. Tag des ersten Eies – die “Halbzeit” in der Brutzeit 2019 naht! Nein, da wird es keine Pause oder Unterbrechung wie beim Fußball geben. Alles verläuft oben im Heiliggeist-Kirchturm bestens und so hoffen wir auf eine gute „zweite Halbzeit“. Gestern versammelten sich um die Mittagszeit 56 m unter dem Nistkasten 2 500 lautstarke Heidelberger Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Klimaschutz-Demonstration „Fridays for Future“, obwohl es in Strömen regnete. Wie am Fastnacht-Dienstag störte das die brütenden Falken nicht! Da auch sie letztendlich von den unabsehbaren, aber bedrohlichen Folgen der Klimaveränderung betroffen sein werden, waren sie bestimmt auch mit der Demonstration einverstanden. Foto: Felix Grädler

Der Kopf des brütenden Falken
zeigt auch unseren Gästen in weiter Ferne, dass es z.Zt. in Heidelberg stark regnet. Nässe ist für einen erwachsenen Falken kein Problem, sein Deckgefieder schützt ihn. Sein Partner steht jetzt vielleicht schon seit Stunden auf einem Ast oder – wahrscheinlicher – drüben auf der Schlossruine im Regen. Anderenorts, z.B. in einer Felswand, könnte ein lang anhaltender Regen zu einer Durchfeuchtung des Untergrunds unter dem Gelege führen. Gegen eine solche Staunässe von unten nützt auch eine intensive Bebrütung von oben wenig. In einer Pfütze liegend kann sich der Embryo nicht entwickeln. Das wissen die Falken und wählen sich in einer Felswand eine – auf Dauer – trockene Nische aus.

Ich mache mal wieder den Lehrer
Denn immer wieder werde ich nicht – nur von Kindern – danach gefragt oder darauf hingewiesen:
„Nein, liebe Schülerinnen und Schüler! Das, was beim Vogel – und auch bei vielen anderen Tieren – als Bein, Fuß nach hinten ragt, ist nicht das Knie sondern die Ferse!“ – „Ja, das hast Du noch in der 2. Klasse mit falschen Winkel dargestellt, wenn Du Dein Pony oder Einhorn gezeichnet hast!“ Wie oft habe ich das früher in der Schule korrigieren müssen! Was wir so gelb oberhalb der rot-verblassten Beringung bei PALATINA als Tarsometatarsus aus dem Federkleid ragen sehen, ist nicht der Unterschenkel, sondern der Fuß! Der Unterschenkel mit Tibia und Fibula, das, was wir Schienbein nennen, ist unter den Federn nicht sichtbar, ganz zu schweigen vom Femur, dem Oberschenkel. Dass was wir so locker-falsch als „Fuß“ beim Falken bezeichnen, Falkner sagen oft „Hand“ dazu (weil der Falke seinen Fang wie eine Handbenutzt), sind seine Zehen (mit sehr spitzen Zehennägeln)! Drei nach vorn, eine nach hinten.
Aktiv und passiv
Jetzt ruhen die Altfalken auf dem Gelege oft minutenlang völlig entspannt ohne sich zu regen. Manchmal sehen wir – was wir in der freien Natur an einem Felsenhorst selbst mit einem guten Spektiv niemals beobachten könnten – wie sich die Nickhaut (neben dem unteren und oberen Lid ein drittes Augenlid der Greifvögel und Eulen) langsam über das Falkenauge schiebt. Das glänzend schwarze Auge erscheint uns dann plötzlich grau-weiß wie tot.
Eischale
Die befruchtete Eizelle in eine Schalenhülle zu verpacken und außerhalb des Körpers der Mutter zu einem neuen Lebewesen zu formen, hat sich schon lange vor der Entstehung der Säugetiere bewährt. Das gab es schon bei den Sauriern. Die vollkommene Form eines Eies sorgt dafür, dass dieses zarte Gebilde – nur etwa 0,4 mm ist die Schale eines Wanderfalkeneies dick – nicht unter dem Gewicht von PALATINA (etwa 900 – 1 000 g schwer) zerbricht! Druck von außen hält die Schale gut stand.
Wohl aber kann – von heute an gerechnet – in etwa drei Wochen das zarte Schnäbelchen des Kükens die Schale von innen öffnen! Atmungsaktiv wie unsere Anoraks oder Sportkleidung ist die Schale, Wasserdampf und Wärme werden hindurch gelassen, aber Bakterien bleibt der Weg nach innen versperrt. Die Schale besteht aus einer Lage von Calcitkristallen, die von etwa 7 500 Poren durchzogen ist, durch die der Gasaustausch erfolgt. Nun wird diese Kalkschicht vom heran wachsenden Küken bereits ausgedünnt, es braucht Calcium für den Knochenaufbau. Wie PALATINA die braun-rote Färbung der Eischale bereits in der Schalendrüse ihres Eileiters aus der Kombination zweier Pigmente (Protoporphyrin und Biliverdin), die dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin verwandt sind, erzeugte, ist erstaunlich. Wie alle Eier der Wildvögel dient die Färbung der Anpassung an den Untergrund. (Vögel, die in Kolonien brüten, Pinguine z.B., erkennen ihr Ei an der individuellen Musterung wieder.) Das Spektrum der Farbe der Wanderfalkeneier reicht von gelblich-ocker bis rot-braun. Es gibt auch innerhalb des Geleges leichte Farbunterschiede, die das eine Ei etwas heller, das andere dunkler erscheinen lässt.
2919 erscheint mir das Gelege gleichmäßig gefärbt. Man sieht es aber nur kurz bei einem Brutwechsel. Und das ist auch gut so!
Brutwechsel am Abend
Danke, Krystyna!
Wieviele Eier legen Wanderfalken?
Diese Frage wird mir oft gestellt.Ein Blick auf unsere Titelseite: „Information- Saison“ zeigt, wie groß das Gelege und wie erfolgreich in diesen zwanzig Jahren gebrütet wurde. Hier in Heidelberg, mit einem großen Angebot von Beutevögeln (ganzjährig in einer großen Vielfalt, bei der Aufzucht vor allem Tauben, die es zu tausenden gibt), besteht das Gelege meist aus drei oder vier Eiern. Nur selten ist ein nicht befruchtetes Ei dabei. Ratcliffe(1993) hat von 1980 bis 1991 1.298 Gelege von Wanderfalken dokumentiert: Zweiergelege: 6,2%, Dreiergelege:46,2%, Vierergelege: 46,2%, Fünfergelege:1,3%, im Durchschnitt also 3,43. Rockenbauch (2002) nennt für Baden-Württemberg (1961-2000) einen Durchschnitt von 3,44. Wanderfalken zeitigen Nachgelege, wenn man ihnen die Eier wegnimmt. Aber wer würde so etwas wagen und warum? . In einem langen und gesunden Falkenleben könnte ein Weibchen 50 und mehr Nachkommen haben. In den USA, wo man dank gut ablesbarer Beringung die Gebäudebrüter gut kennt, hat man das gelegentlich dokumentiert.
Tja, ZEPHYR! Nun liegt eine große Aufgabe vor Dir! Er ist nun für die Nahrungslieferung verantwortlich, PALATINA wird in den nächsten Wochen nur selten selbst Beute machen.
Danke, Krystyna!
Das vierte Ei im Bild
Wie schön und nützlich, dass wir so viele Gäste bei uns haben …
Danke Frau E.Sp.!

Wanderfalken in der Kunst
In meinem Tagebuch – siehe Archiv! – habe ich mehrfach Darstellungen von Falken erwähnt, gezeigt, kommentiert, kritisiert und gelobt. Es gibt nicht allzu viele aus künstlerischer Hand.
Heute erhielt ich dieses Porträt von einem Künstler, der sich selbst seit Jahrzehnten aktiv für den Schutz des Wanderfalken einsetzt. Ein Bild mit dem Titel „Schiefergrau“ mit einer überaus freundlichen Widmung „für das schon Jahrzehnte andauernde Engagement im Wanderfalkenschutz“.
Über dieses Geschenk bin ich sehr gerührt, denn das Bild trifft punktgenau eine Situation, aus der viele Besucher – vor allem ich – seit 21 Jahren Freude in unserem oft trüben Alltag gewinnen:
Denn unser Blick geht häufig vom Heidelberger Marktplatz hoch zum Turmhelm von Heiliggeist oder unser Blick richtet sich auf das Bild von Cam 3 auf dem Monitor unseres PC:
AH! SUPER! DA STEHT EIN FALKE!
Oft leicht zu übersehen, denn der Falke zeigt uns – absichtlich? zufällig? – seine schiefergraue Rückansicht voller Leben vor den schiefergrauen steinernen Dachschindeln. B.Gr. hat diesen Anblick im Detail wahrgenommen, nicht nur das Federkleid in Feinmalerei abgebildet, den gelassenen, aber konzentrierten Blick des Falken, auch die Kotspuren, die Fehlstelle in der Stange wurden dokumentiert.
Nein! Es gibt kein Preisrätsel, welcher der beiden Heiliggeist-Wanderfalken hier abgebildet ist! Das weiß wohl jede(r) Besucher(in), nicht wahr?

Guten Abend!
Danke, K.!
ZEPHYR beendet den Tag
und geht mit vollem Kropf schlafen.
Danke, M.H.!

Was wir leider nicht sehen
Obwohl PALATINA und ZEPHYR seit Herbst 2017 ein festes Paar bilden und in vier Brutzyklen 16 Jungfalken erfolgreich in die Luft gebracht haben, absolvieren sie nun – hormonell bedingt – wieder das aufwändige Programm der Paarbildung. Da die beiden von Anfang März bis Mitte Juli mit Brut und Aufzucht des Nachwuchses voll beschäftigt sein werden, überprüfen sie sich erneut, ob sie dieser großen Aufgabe gewachsen sind.
„Federführend“ ist bei der Paarbildung wieder PALATINA, die überprüft, ob ihr Partner sie und die Küken während der Brut und Aufzucht als erfolgreicher Jäger versorgen kann.
In der englischen Sprache spricht man nun von dieser Phase als Zeit des bonding. Das hat nichts mit jenem James Bond zu tun, der uns als erstes einfällt (Der Vogelfreund Jan Fleming wählte für seinen Buch- und Filmhelden den Namen eines bedeutenden amerikanischen Ornithologen J.B.), sondern mit bond (engl.) = Bindung, Wie mit einem Band verknüpfen nun die beiden wieder ihren Tagesablauf, ein hübsches Bild.
Vor allem ZEPHYR zeigt in diesen Wochen fremden Wanderfalken, die z.B. in ihren zweiten Lebensjahr nun ein eigenes Territorium und eine(n) Partner(in) suchen, dass der Himmel über Heidelberg besetzt ist. Täglich zeigt er nun spektakuläre Sturzflüge in Z -Fluglinie aus großer Höhe, dabei sind bei seinen Richtungswechseln die dunkle Oberseite und seine helle Unterseite auffallende Signale. Also eine für Wanderfalken weit sichtbare Demonstration! Ähnliche Demonstrationen sind seine Flüge in der Form einer liegenden Acht im Tal über der Stadt.
Allmählich beteiligt sich dann auch PALATINA an solchen Parade-Flügen, um sich gegenseitig die eigene Stärke, Wendigkeit in akrobatischen Manövern zu zeigen. Das hat für unsere Augen doch immer einen Anteil an Aggressivität, mit unseren menschlichen Gefühlen z.B. Liebe, hat das alles nichts zu tun!
Neugierige fremde Wanderfalken werden von einem erfahrenen Paar, wie dem unsrigen, geprüft und meist schnell vertrieben, dabei zeichnen sich vor allem die begegnenden Weibchen durch eine hohe Aggressivität aus. Das mündet, wir haben das mehrfach erlebt, in lautstarke und heftige Luftkämpfe der Weibchen, die sogar gelegentlich ineinander verkrallt auf Hausdächern oder dem Boden landen – bei uns sogar einmal im Nistkasten! – und einander an die Gurgel wollen. Manchmal geht das sogar tödlich aus.
Diese Zeit der Paarbindung oder Paarbildung – ausfallende Partner werden oft nach kurzer Zeit ersetzt – mündet in Einladungen durch ZEPHYR in den Nistkasten, oft verbunden mit Beuteübergabe (kleine symbolische Happen) an PALATINA.
Diese gemeinsamen Besuche werden nun für uns bald im Nistkasten sichtbar! Auch diese Visiten sind hoch ritualisiert und erfolgen nach einem Schema. Davon später. Oder aus den Vorjahren nachlesbar im Archiv meines Tagebuchs.
ZEPHYR am 19.Januar 2022

“ Wie meinen Sie das, – ich wäre gut im Futter? „
ZEPHYR am 19. Januar, 14.13 Uhr

Beide Falken am Nistkasten
Wie wir mit Freude im Gästebuch lesen, waren beide Falken gemeinsam hier! Zurück blieb ZEPHYR
Danke, K.!