Seit 1999 schreibt Hans-Martin Gäng das Tagebuch über die Heidelberger Wanderfalken. In über 5000 Einträgen können Sie nachlesen, was seit 1999 alles passiert ist. Dort finden Sie auch viele Informationen zur Biologie des Wanderfalken und zum Verlauf der Brut und Aufzucht des Nachwuchses.
Seit 1999 schreibt Hans-Martin Gäng das Tagebuch über die Heidelberger Wanderfalken. In über 5000 Einträgen können Sie nachlesen, was seit 1999 alles passiert ist. Dort finden Sie auch viele Informationen zur Biologie des Wanderfalken und zum Verlauf der Brut und Aufzucht des Nachwuchses.
Nun ist Bewegung angesagt
Erstaunlich, nicht wahr? Wie rasch nun neben dem körperlichen Wachstum auch Fähigkeiten heran wachsen. Die Küken bewegen sich orientiert und zielstrebig im Nistkasten. Sie suchen am Boden und beobachten sich gegenseitig. Wenn sie Ruhe haben wollen drücken sie sich in eine Ecke. Nun beginnt ds Training der Brustmuskeln und wir beobachten erste Flügelschläge, die sie noch aus dem Gleichgewicht bringen. Die Muskulatur ihre Beine/Ständer reichen noch nicht dazu aus. In wenigen Tagen werden sie souverän beim Training stehen bleiben und nicht mehr nach vorn kippen oder gar „abheben“. Auch die Benutzung ihrer Fänge mit den bereits nadelspitzen Klauen (ich musste sie bei der Beringung schon spüren) wird nun geübt. Bald stellen sie sich mit einem oder beiden Fängen auf Beutereste, um selbst noch Verzehrbares abzureissen.
Interessant an diesem clip: PALATINA steht ganz außen auf Wache und pflegt sich. So bleibt sie für den Nachwuchs unsichtbar. Sonst würde bestimmt eines, zwei oder alle der Küken mit Bettelgeschrei nerven.
Danke, K.!
PALATINA hält Wache
Heute von außen und mit vollem Kropf.

Nun zwickt es und zwackt es
im sprießenden Federkleid der vier Küken. Geschickt setzen sie dabei bereits das „Allzweckwerkzeug“ der Vögel, den Schnabel, ein. Wenn auch die Beinmuskulatur noch schwach entwickelt ist, so können sie schon recht gut ihre Position wechseln und sich bewegen. Das sieht jetzt noch unbeholfen, ja komisch aus, wenn sie mit ihren riesigen Fängen durch den Nistkasten stolpern. Ihr Kopf erreicht schon, von den auf kurze Sicht schon sehr gut funktionierenden Augen geleitet, bestimmte Ziele. So greifen Küken, die von den Geschwistern vom fütternden Schnabel PALATINAs fern gehalten werden, gelegentlich frustriert dies oder das Federchen vom Boden auf. Auch bei der Fütterung versuchen sie bereits jetzt selbst etwas von der Beute zu zupfen. Noch immer legen sich die Küken zusammen, damit sie nicht auskühlen.
Morgenschläfchen
Das ist selten zu sehen: PALATINA schläft am hellen Vormittag im Nistkasten! Auch die VIER schlafen und verdauen. Ab und zu regt sich ein Küken und pflegt sein nunrasch wachsendes Gefieder.

PALATINA bewacht nachts die Küken
Noch immer sehen wir, dass PALATINA auch nachts ihre Kinder bewacht und bei ihnen übernachtet. Für unsere neuen Besucher/-innen: Dort oben ist es stockdunkel, nur wir sehen dank des IR-Lichts.

Gut getarnt!
Ich staune immer wieder darüber, dass sich PALATINA & ZEPHYR, wie ihre Vorgänger, meist ganz außen auf der Anflugstange positionieren, wenn sie sich längere Zeit am „Horst“ aufhalten. Sie sind dann mit ihrem blau-grauen Deckgefieder kaum vor dem gleichfarbigen Schieferziegeldach zu erkennen. Ihr Blick ist dann auf das direkt vor ihnen liegende Dach gerichtet. Sie müssen so immer wieder den Kopf wenden um zu beobachten, was hinter ihrem Rücken geschieht. Das stört sie nicht.
Danke, K.!

Das zweite Frühstück am 26. April
Danke, C.!


Wer ist wer?
Das große weibliche Küken ELIZABETH trägt am rechten Fang den Kennring S GB, das zweite große Küken SOPHIE ist ebenfalls weiblich und trägt den Kennring S GC, das dritte Küken OTTHEINRICH trägt den Kennring S GD, bei ihm waren wir uns über sein Geschlecht nicht ganz sicher. Es könnte ein Weibchen sein, aber auch ein kräftiger Terzel. Das vierte Küken FRIEDRICH ist eindeutig ein Terzel und trägt den Kennring S GE.
Die Ringnummern der Vogelwarte am linken Fang nenne ich hier nicht, man kann sie nur aus der Nähe ablesen. Die Geschlechtsbestimmung ist in diesem Alter nicht ganz einfach! Es geht nicht nur nach der Größe!
Die Weibchen sind zwar bereits in diesen drei Wochen ihres Lebens an ihrer Größe, an dem Durchmesser der Ständerknochen (Fußgelenk), an der Griffbreite ihrer Fänge, an ihrer Lautstärke und etwas tieferen Stimmlage gut von den zarteren Terzeln zu unterscheiden. Aber OTTHEINRICH könnte nach meiner laienhaften Kenntnis z.Zt. ein starker Terzel oder ein – noch – schwacher weiblicher Wanderfalke werden!
So führen wir OTTHEINRICH hier – nach meiner Entscheidung – zunächst mal als männlicher Falke!
Damit passt er auch in das Schema Blau/Rosa-Babykleidung, das hier bei unseren Besucher/innen in den Vorjahren oft für Irritationen und Nachfragen gesorgt hat. Die Namen der Heidelberger Küken ehren oder erinnern an die PATEN! Den Falken und auch mir ist es egal, mit welchen Namen wir sie benennen, der muss nicht zu ihrem Geschlecht passen. Auch ihr Geschlecht ist mir gleichwertig. (So war/ist es mir auch bei meinen eigenen Kindern und Enkeln.) Nun ja, dieses Jahr passen Namen & Geschlecht vermutlich zusammen!
Hauptsache , der Nachwuchs ist gesund und munter!

Nach der Beringung
zurück in der Sicherheit des Nistkastens! ELIZABETH verdrückt sich in die Ecke, OTTHEINRICH faucht den Fotografen an, SOPHIE ist der Anblick der offenen Luke nicht geheuer, FRIEDRICH – dessen Kropf zu platzen droht – schaut zutraulich in die Kamera.
Foto: M.B.

FRIEDRICH
Friedriche gibt es einige unter den Heidelberger Kufürsten der Pfalz! Heute erinnern wir an den dritten.
FRIEDRICH III:. Kurfürst von der Pfalz, 1515- 1576, führte 1563 den „Heidelberger Katechismus“ ein, der den neuen protestantische Glauben in einem 128 Fragen und Antworten umfassenden Unterrichtsbuch zusammenfasste. Noch heute ist „The Heidelberger“ z.B. in evangelikalen Kreisen in den USA sehr bekannt. Auch Friedrichs Grab ist – zerstört und geplündert- in der Krypta der Kirche.
OTTHEINRICH
OTTHEINRICH von der Pfalz, 1502 -1559, führte 1557 die Reformation in der Kurpfalz ein, alle Bürger wurde so zu Lutheranern. Er starb kinderlos, 200 kg schwer und wurde in der Grablege der Kurfürsten beerdigt. Sein Grab wurde 1683 geplündert und zerstört.

SOPHIE
SOPHIE, 1630-1714 Kurfürstin von Hannover, 12. Kind von Elizabeth & Friedrich V. , kehrt 1650 aus dem niederländischen Exil mit ihrem Bruder Kurfürst Karl-Ludwig nach Heidelberg zurück. Das Schloss ist nach dem 30-Jährigen Krieg unbewohnbar, man lebt in der nahen Kettengasse. Sie kümmert sich um die Kinder des zerstrittenen Kurfürstenpaar. vor allem um ihre Nichte Lieselotte, die später am Französischen Hof den Bruder des Königs ehelicht. Sophie heiratet 1658 nach Hannover. Mit Lieselotte bleibt sie in vielen Briefen in Kontakt. Als protestantische Enkelin eines englischen Königs wird ihr Sohn Georg englischer König.
So malte sie ihre Schwester Luise Hollandaise , als Indianerin (!) im Alter von 15 Jahren.

Ausgeflogen!
Für die nächsten 10 Tage werde ich nicht in Heidelberg sein und etwa 1 000 km nach Süden fahren. Wahrscheinlich habe ich dort kaum Gelegenheit, das Gästebuch zu redigieren oder Tagebucheinträge zu leisten. Im „Tagebuch-Archiv“ der Vorjahre kann man über die Entwicklung der Küken nachlesen, diese wird 2022 ähnlich ablaufen.
Gruß in die Runde! Bis bald!
HMG
Nun beginnt das Training der Brustmuskulatur
denn diese ist Voraussetzung für das Flugvermögen.
Und wir können nun an den Kennringen sehen, wer da übt!
Danke, M.H.!


ZEPHYE am 4. Mai
„Oh, je! Bis die alle satt sind …“
Danke, M.H.!


Die Eltern zeigen gute Nerven
auch, wenn sie nun oft sehr bedrängt werden. Aber die Küken zupfen nun bereits auch selbständig an Beuteresten.
Danke, M.H.!


„Aber zunächst kommt der Start, der Flug nach oben, dann der Sturzflug!“
So etwa würde PALATINA meine Belehrung kommentieren.
Danke, M.H.!
Wie schnell ist der Wanderfalke bei seinem Sturzflug?
Diese Frage ist noch beliebter als die vorausgehende, aber auch sehr umstritten. Die Schätzungen der Fachleute reichen von vorsichtigen 250 km/Std. (Dieter Rockenbauch, 2002) bis zu 480 km/Std.(White et al. 2002). Theoretisch könnte ein Vogel von der Größe und Tropfenform eines senkrecht herabstoßenden Wanderfalken etwa 365 bis 381 km/Std. erreichen (Orton, 1975), die Anziehungskraft auf einen 500-g-Terzel könnte diesen auf 90 m/sec und ein 1100-g-Weibchen auf 100 m/sec beschleunigen (Tucker et al. 1998).
Das sind wohl theoretische Überlegungen!
Denn so gesehen könnte ja ein Steinadler mit 4 000 g bis 5 000 g Gewicht dann aber noch schneller herabstürzen? Ist das so? Es ist also Spekulation in solchen Überlegungen, genaue Messungen scheinen noch immer zu fehlen. Mit offenem Mund konnte auch ich (in sechs Jahrzehnten!) nur selten mit dem Feldstecher beobachten, was den Menschen seit Jahrtausenden am Wanderfalken fasziniert:
Der Falke beschleunigt anfänglich den senkrechten Sturzflug zusätzlich mit energischen Flügelschlägen! Von diesen ersten Sekunden findet man im Internet Filmaufnahmen (z.B. Falke verfolgt Federspiel aus der Hand eines fallenden Fallschirmspringers). Welch ein Anblick muss das für den Falken sein, wenn beim “stoop” auf einen Beutevogel, ihm dann die Erdoberfläche gewissermaßen entgegen rast! Wie kann er dabei die Augen offen halten? Wie behält er die Beute im Blick? Wie kann er dabei mit den Mesken, die besonders harten “Daumenfedern” am Handgelenk seiner Flügel, seinen Zielflug steuern? Was wäre, wenn er in diesem Tempo mit einem größeren Insekt zusammenstoßen würde, ein Staubkorn sein Auge treffen würde?
Natürlich verliert man als Zuschauer/Kameramann den herabrasenden Punkt schnell aus dem Feldstecher/Sucher. Setzt man den Feldstecher/Kamera ab und erblickt dann mit den suchenden Augen – hoffentlich – den “zusammengefalteten” Falken – wie aus dem Erdboden geschossen – ohne Flügelschlag senkrecht nach oben (!) zur Beute rasen, ahnt man die Rasanz einer solchen
Parabelflugs. ( Der Falke muss ja seinen Sturzflug abbremsen, bevor er den Beutevogel schlägt! Er dreht dabei den senkrechten Sturz in eine Aufwärtsbewegung.) Erst im letzten Augenblick öffnet der Falke Flügel und Stoß zum Bremsen und Korrigieren und schlägt mit zusammen geballten Fängen die Beute und ergreift diese. Ein ganz erstaunliches Naturerlebnis, jedem Vogelfreund zu wünschen, so etwas beobachten zu können.
Er wird die fantastische Szene nie vergessen!