LISELOTTE & RUPERT im Nistkasten
Unser Revierpaar zeigt im Juni ein Verhalten, das wir bisher nur im Februar-März beobachten konnten! Sehr erstaunlich!
Danke,D.B.und S.F.!
Unser Revierpaar zeigt im Juni ein Verhalten, das wir bisher nur im Februar-März beobachten konnten! Sehr erstaunlich!
Danke,D.B.und S.F.!
Manche Wanderfalken gehen in die Geschichte ein. Oft, weil sie erstmals an einem besonderen Ort, Felsen, Kirchturm oder Gebäude entdeckt und über längere Zeit sorgfältig beobachtet wurden.
Heute stelle ich das Wanderfalkenweibchen „Sun Life Falcon“ (1936-1952) vor. Das Foto stammt von G.H. Hall, der den beindruckenden Falken am 4.Juni 1941 – da war ich gerade drei Wochen alt! – am Hauptsitz der „Sun Life Assurance Company „, eine Lebensversicherung in Montreal, Canada auf einem Gesims des Wolkenkratzers vor die Kamera lockte. Wir ahnen, dass die Kamera damals bestimmt ein großer Holzkasten war und G.H. Hall sie unter Protest des prächtigen Falken auf das Fenstergesims stellte!
Dieses Weibchen war 1937 einjährig vor den Bürofenstern erschienen, brütete dort auf dem Beton mit drei aufeinander folgenden Terzeln in 16 Brutfolgen und brachte 21 Jungfalken in die Luft. Wir erkennen auf dem Foto, warum der Sun-Life-Falke so eindeutig dokumentiert werden konnte: Das Brustgefieder zeigte auf der rechten Seite eine Fehlbildung, die wie eine Einbuchtung/Delle aussah.
Das Falkenweibchen fand mit seinen Partnern und Nachwuchs auf dem Versicherungsgebäude tolerante Gastgeber, eine wohl gesonnene Presse und viele Bewunderer in Montreal. Ganz so, wie wir das auch heute seit 25 Jahren ! in Heidelberg erleben dürfen.
Folgerichtig ging sie in die Wanderfalken-Literatur ein:
Ich fand das Foto und ihre Geschichte im Standardwerk von Joseph J. Hickey, „Peregrine Falcon Populations, Their Biology and Decline“, The University of Wisconsin
Wieder in „Gängs Tagebuch“ geblättert, um ein Foto von VIER fast flüggen Jungfalken auf derAnflugstange zu finden. Ich fand leider nur ein Foto eines Trio aus 2015 um eine häufige – höchst staunenswerte Beobachtung zu finden, die uns zeigt, wozu die Augen des Wanderfalken fähig sind:
Ich zitiere mich aus meinem Tagebuch der Vorjahre:
Vier Jungfalken “gieren” gleichzeitig und recken die Köpfe. Sie haben Mutter oder Vater im Anflug mit Beute in den Fängen entdeckt! Der Altfalke kommt – fast immer – in einer großen Kurve einschwenkend über das Palais Boisseré und Rathausdach direkt auf den Nistkasten zugeflogen! Am späten Nachmittag steht dann die Sonne direkt hinter dem Heiliggeistkirchturm!
(Unsere leistungsstarke Cam 3 blickt in Richtung Abendsonne in den Schatten des Turms! Sie ist dann überfordert und wir sehen dann nur ein verschwommenes GRAU, weil die Optik der Cam 3 das nicht ausgleichen kann.)
Dem Auge des Wanderfalken gelingt es, direkt in die Sonne zu blicken und gleichzeitig in die Dunkelheit!
Jedes Jahr können wir im Abendlicht folgende Szene staunend verfolgen:
Der in beträchtlichem Tempo herbei rauschende Falke fliegt die letzten 50 m direkt auf die noch grelle Sonne zu und fliegt auf den letzten 20 m zur Anflugstange in den schwarzen Schlagschatten des Turms. Was bedeutet das für seine Augen und sein Gehirn? Jeder unserer Besucher kennt diese Situation von den Bildern der Webcam 3, die etwa in gleicher Position wie der anfliegende Falke – 6 m tiefer auf dem Sterbeglöckchenturm des Kirchendachs – zum Nistkasten schaut! Denn in diesen langen Minuten versagt unsere teure Optik! Gleichzeitig direkt in Richtung grelles Sonnenlicht und in den schwarzen Schatten filmen, das kann die moderne und teure Kamera nicht. Auch unsere Menschenaugen versagen bei dieser Aufgabe: Auch wir brauchen einige Zeit um unseren Blick vom hellen sonnigen Himmel zum Blick in das schwarze Gully-Loch anzupassen, in das gerade unser Autoschlüssel gefallen ist.
Kein Problem für die Falken! Deren Augen können offensichtlich blitzschnell umschalten! Grell hell, nun dunkel! Denn absolut sicher bremst der Falke in Sekundenbruchteilen seinen Flug ab, findet die Lücke über den vier kreischenden und flatternden Jungfalken, die den Eingang blockieren, und “plumpst” mit der Beute in den Fängen in den Nistkasten.
Das sind AUGENBLICKE, die mich sprachlos machen: Was müssen die Falkenaugen, das kleine Gehirn, die Nerven, die Muskeln, die Fänge in Sekundenbruchteilen verarbeiten! Und statt sich der Falke – „eine Sekunde, bitte!“ – etwas entspannen könnte, fallen die Jungfalken ihn sofort geradezu an: HUNGER!!“
In den letzten Jahren – mit nur zwei Jungfalken – war diese Aufgabe für RUPERT und LISELOTTE relativ leicht zu bewältigen: Sie hatten genügend Raum um sicher mit der Beute im Kasten zu landen.
Da war doch im Bio-Unterricht – kurz bevor uns die Äuglein zufielen – irgend etwas mit “gelber Fleck” auf der Netzhaut? Vergessen?
Na gut: Die Fovea ist eine trichterförmige Vertiefung auf unserer Netzhaut (Die prüft unser Augenarzt, wenn er unseren Augenhintergrund betrachtet!), wo die Sinneszellen besonders dicht gepackt sind. 50% unserer Sehnerven führen von dieser Stelle in das Gehirn! WIR haben dort etwa 200 000 Sinneszellen pro Quadratmillimeter, der Wanderfalke über eine Million! Allein das verleiht ihm – schätzt man – eine achtfach höhere Leistungsfähigkeit im Vergleich zu unserem Auge. Taggreifvögel haben eine zweite, temporale Fovea neben der tief liegenden. Sie sorgt für eine binokulare Sicht in Zusammenarbeit mit der monokularen Scharfsicht der trichterförmigen Fovea! Wanderfalken sehen deshalb mit EINEM Auge besonders scharf! Wie oft haben wir schon hier im Kasten ganz verdrehte Falkenköpfe gesehen, wenn die Jungen oder Alten mit einem Auge etwas – z.B. eine Fliege auf einem Beuterest – betrachteten! Ebenso wundern wir uns, wenn bei Jagdflügen die Wanderfalken der Beute nicht geradlinig nachfolgen, sondern aus einem Winkel die Beute anjagen, in dem sie die Beute nur mit einem Auge sehen. Sie können auch mit EINEM Auge sehr gut fokussieren! (Das können übrigens auch Schwalben und Mauersegler.) “Da war doch noch was mit Stäbchen und Zapfen …” – Gut aufgepasst, das gibt ein Fleißkärtchen! – : Von den zapfenförmigen Sehzellen – für Farben zuständig – verfügen Wanderfalken über vier, vielleicht auch fünf Arten, wir Menschen nur über drei! Das bedeutet, dass Wanderfalken über ein völlig anderes und ausgeprägteres Farbsehenverfügen! (Wir kennen das von Insekten, inzwischen weiß man, dass auch Fische, selbst Schildkröten, ein weit höher entwickeltes Farbsehen haben als die Säugetiere.)
Wir Menschen, mit “schlechter” Farbsicht und “wenigen” Sinneszellen im Auge ausgestattet, lassen uns im Kino schon mit der Abfolge von 25-30 “stehenden” Fotos pro Sekunde als “Film” übertölpeln, ein Wanderfalke mit etwa 10-fach größerer Sehstärke und uns unbekannter Farberkennung würde da nur eine “langsame” Abfolge von Fotos in schwächlicher Färbung sehen …
„Klingeling! Ende der Lektion! Ihr könnt in die Pause gehen! Und: Augen auf!“
PS. 13.06.2025 : Diese Lektion aus „Gängs Tagebuch Archiv “ schrieb ich 2018
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Kann ich davon ausgehen, dass die geneigten Leserinnen und Leser in der Schule aufgepasst haben? Wie bitte? Nur manchmal? – So,so! Dann muss ich die außergewöhnliche Sehkraft des Wanderfalken etwas ausführlicher erklären. WIR stellen das Bild auf unserer Netzhaut scharf, in dem ein Muskelring um unseren elastischen Linsenkörper diesen zusammen drückt – dann sehen wir einen nahen Gegenstand scharf – oder wenn diese Muskeln erschlaffen, unsere Linse flacher und größer wird – dann sehen wir einen fernen Gegenstand scharf. ![]() |
Foto: M.H. 13.06.2025
Wanderfalken schützen ihre Augen – wie fast alle Greifvögel und Eulen – durch ein weiteres Lid, sie besitzen zusätzlich eine Nickhaut. Manchmal können wir das auch hier beobachten, wenn sich diese von unten nach oben über das Falkenauge schiebt. Sie reinigt durch die Befeuchtung die darunter liegende Hornhaut in regelmäßigen Abständen und schützt vor dem Austrocknen des Auges.
Er zeigt ein Verhalten – Nistkastenbesuche, Mulden schieben – , das wir bisher noch nicht nach dem Ausfliegen der Jungfalken beobachten konnten.
Auch im 25. Jahr wird es hier nicht langweilig. Immer wieder sehen wir Neues.
Bereits jetzt zur Tagesmitte füllt sich die Altstadt, auf dem Neckar „parken“ die ersten Boote und Yachten, um gute Sicht auf das traditionelle „Feuerwerk & Schlossbeleuchtung“ zu haben, das ab 22 Uhr die Menschen erfreuen wird.
Es ist für die Wanderfalken, nun erstmals auch für ALBRECHT & SONNI – wie auch für Haustiere und Wildtiere in kilometerweitem Umkreis – ein großer Schrecken! In den ersten Jahren unseres Projekts zur Wiederansiedelung wild lebender Wanderfalken in Heidelberg hatten wir große Sorgen, denn bei den mehrfachen „Schlossbeleuchtungen“ im Sommer hielten sich manchmal im Nistkasten noch nicht-flügge Jungfalken auf! Oder die Jungfalken waren kurz zuvor ausgeflogen und wir sorgten uns um sie.
Am nächsten Morgen war alles vergessen, denn Jung & Alt der Falkenfamilie waren zurückgekehrt und wohlauf. So wird es auch morgen sein.
Foto: Heidelberg Marketing
Denn nur in den ersten Tagen nach dem Ausfliegen wird die Beute auf den Turmbalkon der Jesuitenkirche, oder in das „Kapellchen“ der Turmspitze von Heiliggeist geliefert.
Wie lernen das die Jungfalken?
Der Hunger zwingt sie zum frühen Entdecken der Eltern am Himmel, die in großer Höhe demonstrativ Beute herbeitragen. Die jungen Falken fliegen ihnen bettelnd rufend entgegen und versuchen ihnen – oft mit akrobatischen Flugbewegungen – die Beute zu entreißen. Vater oder Mutter machen die Beuteübertragung nicht leicht! Sie steigen ausweichend mit der Beute in den Fängen nach oben. Der hungrige Jungfalke muss im letzten Moment vor seinem Zugriff sich im Flug auf den Rücken legen und von unten nach der Beute greifen! Selbst wenn er Erfolg hat, entreisst sein Geschwister ihm oft die Beute!
Alles ist mit viel Geschrei und Hektik verbunden, auch bei dem nachfolgenden Verzehr auf den Kirchenbalkonen geht es rau und heftig zu. Vor allem, wenn es, wie in den Vorjahren, ein QUARTETT von hungrigen Jungfalken miteinander kämpft!
Anfänglich lassen die Eltern ihre Beute auch absichtlich aus großer Höhe über den Jungfalken fallen, damit diese das Zugreifen lernen und üben. In den vergangenen beiden Jahrzehnten konnten wir mehrfach beobachten, dass dies schon nach wenigen Tagen gelang.
Oft fliegt dann der andere Elternteil in tieferer Höhe , um die Beute noch vor dem Aufschlag auf dem Boden zu „retten“. Er kreist dann mit der Beute – vom hungrigen Nachwuchs verfolgt – hoch und wiederholt die Lektion. 2002 habe ich mit Schülern/Schülerinnen vom „Stückegarten“ der Schlossruine aus einen solchen Unterricht minutenlang beobachten können. Ein unvergessliches Erlebnis!
(Aber es erreichen uns auch Meldungen von tot aufgefundenen, „enthaupteten“ Tauben, die in der Altstadt gefunden wurden, die den noch unerfahrenen Jungfalken aus den Fängen geglitten waren. Nein, die Jungfalken landen nicht auf dem Boden, um eine abgestürzte Beute aufzulesen.)
Es ist heute, zwei Wochen nach dem Ausfliegen, gut möglich, dass die Jungfalken schon selbst Beute greifen und töten können.