Während uns das Internet (Google alert) nun rings um die nördliche Erdhalbkugel von geschlüpften und ausgeflogenen Wanderfalken berichtet, ist auf der winterlichen Südhalbkugel jetzt keine Brutzeit. In der nördlichen Hemisphäre gibt es eine Ausnahme: Der Eleonorenfalke (Falco eleonorae), der rund um das Mittelmeer an steilen Küstenfelsen lebt, hat noch nicht einmal mit der Brut begonnen! Dieser Falke, er ist als Art zwischen Wanderfalke und Turmfalke einzuordnen, ist hervorragend ausgestattet Singvögel im Flug zu erbeuten. Er hat seine Fortpflanzung so angepasst, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, wenn er zur Aufzucht seiner Jungen den höchsten Nahrungsbedarf hat. Er ist ein Zugvogel und verbringt den nördlichen Winter auf Madagaskar, einige auch in Tansania und kommt jetzt zurück um auf abgelegenen Klippen und einsamen Inseln der Ägäis und Nordafrikas im Spätsommer zu brüten. Erst spät im August schlüpfen die jungen Falken und die Familie ernährt sich nun ausschließlich von europäischen Singvögeln, die dann in Scharen nach Afrika fliegen. Der Eleonorenfalke, der gern in Kolonien mit seines gleichen brütet, jagt in Kooperation mit seinen Nachbarn: Eine Studie berichtet von etwa 150 Terzeln, die in der Dämmerung sich in etwa 100 bis 200 m Abstand bis in 1 000 m Höhe über den Wellen in den vorherrschenden Wind aus Norden stellten. Mehrere Falken jagen gemeinsam einen einzelnen Singvogel und drücken ihn immer tiefer Richtung Meer, bis einer der Jäger den erschöpften Vogel greifen kann. Etwa im Sinn der Drei Musketiere "Einer für alle und alle für Einen!" Die Gruppenjagd erweist sich beim Eleonorenfalken als effizient: Ein Terzel brachte seinen Küken in 25 Minuten fünf Singvögel. Es gibt nur etwa 6 000 Brutpaaare des Eleonorenfalken, der im Schnitt zwei Jungfalken zum Ausfliegen bringt. So ist die weltweite Population im Spätherbst etwa bei 20 000. Ihnen fallen pro Saison etwa 10 Millionen ziehende Singvögel zum Opfer. Mehr als 90 verschiedene Arten hat man aus ihren Rupfungsresten erkannt. Uns erscheint das ein sehr hoher Blutzoll, aber der Verlust ist ein geringer mit Blick auf die Gesamtzahl der Zugvögel, die noch weit stärkere Belastungen auf ihrem Weg bewältigen. Nicht der Beutegreifer bedroht den Bestand seiner Beutetiere, es ist – wie immer – der Mensch, der das Jahrmillionen alte Gleichgewicht der Jäger und Gejagten stört.